Mutter bestreitet Tötung
Mutter bestreitet Tötung ihres Kindes
Unter Tränen hat eine 25-jährige Bedienung aus Mittelstetten vor dem Landgericht München II bestritten, ihr Baby kurz nach der Geburt im September vergangenen Jahres ermordet zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass die Angeklagte den Säugling erstickt hat. Die junge Frau befürchtete ihrer Ansicht nach, dass sich ihr Lebensgefährte von ihr trennen könnte, wenn er erfährt, dass sie von ihm schwanger ist.
Bis zur Geburt des Säuglings in den frühen Morgenstunden des 8. September hatte die Bedienung die Schwangerschaft vor ihrer Umwelt verschwiegen. Gegen 2.30 Uhr gebar sie den Jungen auf der Toilette im Haus ihrer Eltern, wo sie mit ihrem Kind aus einer anderen Beziehung lebt. Nicht einmal ihr Partner wusste angeblich etwas von der zweiten Schwangerschaft. Äußerlich sei niemandem etwas aufgefallen, weil sie unabhängig von der Schwangerschaft stark zugenommen habe. Ihr Gewicht habe sich von knapp über 80 Kilogramm bei einer Größe von 1,68 Meter auf rund 110 Kilogramm erhöht. Die Gewichtszunahme erklärte sie damit, dass sie sich in den Monaten vor der Geburt vor allem von Kuchen und Gummibärchen ernährt habe, sagte die Bedienung.
Der Verteidiger der Mittelstettenerin, Rechtsanwalt Gregor Rose, beantragte zu Prozessbeginn, das Gutachten eines Gynäkologen hinzuzuziehen. Laut Aussage seiner Mandantin sei es bei der Geburt nämlich zu Komplikationen gekommen. Nach Geburt des kindlichen Kopfes soll eine inkorrekte Einstellung der kindlichen Schultern in das Becken der Mutter – eine sogenannte Schulterdystokie – den Ablauf der Geburt verhindert haben. Folge sei eine „langandauernde Unterversorgung mit Sauerstoff“ gewesen, sagte der Verteidiger. Somit sei davon auszugehen, dass das Kind „aufgrund einer Schulterdystokie gestorben ist und nicht getötet wurde“. Das Gericht stellte den Beweisantrag zurück.
Nach der Geburt ihres Kindes hatte die 25-Jährige die Nabelschnur mit einer Nagelschere durchtrennt. Danach, so die Bedienung, habe sie den Säugling, den sie mit beiden Händen „in die Toilette geführt“ habe, aus dem Abfluss geholt.
Im Zuge der Ermittlungen habe sie aber noch erklärt, das Baby sei in den Abfluss „geplumpst“, hielt Staatsanwältin Kristina Karbach der Angeklagten vor. „Als ich den Kleinen gesehen habe, habe ich ihn rausgeholt, auf ein Handtuch am Boden gelegt und ihm das Gesicht abgewischt“, berichtete die Bedienung und fügte hinzu: „Er hat sich nicht bewegt, es war nichts.“ Anschließend habe sie den Säugling „ein bisschen getragen“. In diesem Augenblick versagte der Bedienung die Stimme und sie begann bitterlich zu weinen. „Wie ging es weiter?“, fragte der Vorsitzende Richter Ralph Alt schließlich. „Ich schäme mich so dafür, dass ich es in eine Tüte habe, so was macht man nicht“, schluchzte die 25-Jährige. Bevor sie damit begann, das Bad zu reinigen, hatte sie das Baby zusammen mit der Nachgeburt in eine Aldi-Plastiktüte gesteckt und in einen Schrank in ihr Zimmer gelegt. Nach der Reinigung des Bades legte sich die Bedienung in ihr Bett.
Da sie die starken Blutungen durch die Geburt nicht stoppen konnte, rief sie erst jetzt ihre Mutter zu Hilfe. Von der Geburt sagte sie ihr und ihrem Vater, der ebenfalls aufgewacht war, jedoch immer noch nichts. Auch nicht dem Rettungsteam, das sie in die Kreisklinik nach Fürstenfeldbruck brachte. Selbst gegenüber dem Chefarzt leugnete sie die Ursache ihrer starken Blutungen. Um diese zu stillen wurde die Bedienung notoperiert. Dabei erkannten die Ärzte, dass sie zuvor ein Kind geboren hatte.
In der Kreisklinik schrieb die 25-Jährige einen Brief an ihr totes Kind. Darin heißt es unter anderem: „Ich habe den Engeln schon gesagt, dass sie auf Dich aufpassen müssen.“ Der Prozess dauert an.
Link zum Artikel in der SZ: Vor dem Landgericht – Mutter bestreitet Tötung