Langzeitausgang / Haftlockerung

Zehn Bundesländer planen, Schwerverbrechern bereits nach fünf Jahren einen Hafturlaub zu gewähren. Kritiker schlagen Alarm und sprechen von einer Verhöhnung der Opfer.

Wie viel ist ein Menschenleben wert? Wie viel die Resozialisierung des Täters? Über die Pläne mehrerer Bundesländer, Schwerverbrechern mit lebenslanger Haftstrafe bereits nach fünf Jahren einen Langzeitausgang zu ermöglichen, ist ein heftiger Streit entfacht. Anton Bachl, Bundesvorsitzender des Bundesverbandes der Strafvollzugsbediensteten, zeigt sich im Gespräch mit stern.deentsetzt über die Pläne der einzelnen Länder. „Ein Langzeitausgang für Mörder nach bereits fünf Jahren ist völlig verfrüht. Wenn jemand lebenslänglich bekommt, hat das schließlich einen Grund“, so der Vorsitzende der rund 36.000 Menschen, die in den deutschen Gefängnissen für die Häftlinge verantwortlich sind. Er ist sich sicher: Frühestens nach zehn Jahren sollten lebenslang Verurteilte Ausgang bekommen. Schließlich ginge es hier nicht um Täter, „die ein Brötchen geklaut haben“. „Da ist einem Menschen das Leben genommen worden. Die Hinterbliebenen leiden ein Leben lang. Und nach fünf Jahren kann es passieren, dass sie dem Täter auf der Straße begegnen. Das geht nicht. Das ist eine katastrophale Vernachlässigung der Interessen der Hinterbliebenen, eine Verhöhnung der Opfer“, so Bachl vom Bund der Strafvollzugsbediensteten.

Länder sind selbst für Strafvollzug zuständig

Bisher war die Gesetzeslage klar: Lebenslänglich verurteilte Straftäter kommen ins Gefängnis und bleiben dort mindestens zehn Jahre lang. Erst dann darf erstmals ein Hafturlaub angetreten werden. Im Zuge der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006 hat sich jedoch einiges geändert: Nicht mehr der Bund ist übergreifend für den Strafvollzug zuständig, sondern die Länder selbst. Und zehn von ihnen, darunter Bremen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz, hatten sich im September in einem Gesetzesentwurf auf Lockerungen im Strafvollzug verständigt. Das bedeutet konkret: Statt der bundesweiten Zehnjahresregel für Hafturlaub dürften demnach in einigen Bundesländern Mörder oder Vergewaltiger bereits nach fünf Jahren die Anstalt verlassen – für bis zu 21 Tage am Stück.

Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) hatte auf Nachfrage der „Bild“-Zeitung argumentiert, Straftäter dürften nicht vollständig von der Außenwelt isoliert werden. Auch der Münchner Strafrechtsexperte Gregor Rose sagt im Gespräch mitstern.de, dass „eine leichtere und vor allem erfolgreichere Resozialisierung“ Vorteile dieser Regelung sein könnten. Außerdem würde eine lebenslange Freiheitsstrafe, die in den meisten Fällen nach 15 Jahren vollzogen sei, nicht ihre Wirkung verlieren, wenn bereits nach fünf Jahren Vollzugslockerungen eintreten würden.

„Jedes Bundesland wurschtelt vor sich hin“

Die Resozialisierung vor Ablauf der zehn Jahre geht jedoch vielen Kritikern zu weit. „Bei uns geht in jedem Fall Opferschutz vor Täterschutz“, sagte Justizministerin Beate Merk (CSU) am Dienstag. Anton Bachl vom Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) weist zudem auf das Problem der Föderalismusreform hin: „Jedes Bundesland wurschtelt vor sich hin“, so der Experte, der zumindest bei den wesentlichen Gesetzesinhalten gemeinsame Normen fordert. Aberwitzig sei in den Augen des BSBD, dass ein Lebenslänglicher bei Realisierung des vorliegenden Gesetzesentwurfs gerade mal nach fünf Jahren die Möglichkeit des Aufenthalts in der Freiheit erhalten kann, während derselbe Gefangene in Niedersachsen frühestens nach acht Jahren oder in Bayern nach zehn Jahren in den Genuss einer solchen Lockerung kommen könne. „In keinem Land Europas wird die Justizgesetzgebung so zerfleddert, in unterschiedliche Detaillösungen aufgedröselt, regionale Einzel- und Sonderlösungen gedrechselt wie bei uns“, so Bachl.

Experiment auf Kosten der Sicherheit

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierten die Pläne als Experiment auf Kosten der Sicherheit und auf dem Rücken der Bürger. Der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut sagte der „Bild“: „Ein sogenannter Langzeitausgang nach fünf Jahren Haft würde das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger schwer erschüttern.“ Witthaut äußerte den Verdacht, dass die Überbelegung in vielen Gefängnissen und die Personalknappheit beim Justizvollzugspersonal ein Motiv für den Vorstoß sein könnten. „Aus Kostengründen darf die Bevölkerung aber keiner erhöhten Gefahr ausgesetzt werden.“ Die Opferschutzorganisation Weißer Ring spricht von einem „falschen Signal“ der Politik.

Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung zum Langzeitausgang fallen. Gregor Rose, Fachanwalt für Strafrecht aus München, gibt jedoch zu bedenken, dass es „wohl nie eine hundertprozentige Sicherheit dafür geben wird, dass es während des Langzeitausganges nicht zu einer weiteren Straftat oder Flucht des Gefangenen kommt“. Und das auch nicht nach 15 Jahren Strafvollzug. „Niemand wird je mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Straftäter richtig einschätzen können“.

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