BGH: Rechtsstaatswidrige Tatprovokation durch Verdeckten Ermittler stellt Verfahrenshindernis dar
Die rechtsstaatswidrige Tatprovokation einer Straftat durch staatliche Strafverfolger hat regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge.
Im Fall, in dem der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden hatte wie sich die Tatprovokation einen verdeckten Ermittlers auf das Strafverfahren auswirkt.
Im vorliegendem Fall wurden grenzüberschreitend verdeckte Ermittler in Deutschland und in den Niederlanden eingesetzt. Der Betroffene, der bereits wegen BtM-Delikten vorbestraft war, was den verdeckten Ermittlern selbstverständlich bekannt war, sollte dazu verleitet werden, Kontakte zu niederländischen Drogendealern herzustellen. Der verdeckte Ermittler gab dabei vor, dass er große Probleme mit seinen Lieferanten habe, welche sich jedoch sogar vergrößern würden, wenn er – was er befürchtete -, ein Geschäft in den Niederlanden in den nächsten Wochen nicht abwickeln könne. Der Betroffene indes lehnte jegliche Beteiligung an diesen Geschäften ab. Bei einem weiteren Treffen fragte ein weiterer verdeckter Ermittler den später Angeklagten nach „Koks“ für den Abend, woraufhin dieser erneut daran erinnerte, nichts mehr mit Drogen zu tun haben zu wollen. Noch am selben Abend erzählte der verdeckte Ermittler dem Betroffenen, dass ihm sein Lieferant tatsächlich versetzt habe. Die erneute Bitte des verdeckten Ermittlers, ihm seine niederländischen Kontakte zu Drogenlieferanten preiszugeben, lehnte der Betroffene wiederum ab. Zudem forderte er den verdeckten Ermittler auf, nicht erneut nachzufragen, da sich sein Standpunkt nicht mehr ändern werde. Wenige Tage später berichtete der verdeckte Ermittler dem später Angeklagten, dass seine serbischen Abnehmer „rasend vor Wut seien“, da das Geschäft mit ihnen nicht zustande gekommen sei. Sie hätten einen weiteren verdeckten Ermittler aufgelauert und bedroht, weshalb er seine Telefonnummer gewechselt und zusammen mit den weiteren verdeckten Ermittler seinen bisherigen Wohnort verlassen hätte und bei Bekannten untergekommen wäre. Der verdeckte Ermittler bat deshalb an den später Angeklagten noch einmal um Hilfe und erklärte, er würde jeden Preis zahlen, der Angeklagte müsse nichts weiter unternehmen. Auch diese Bitte lehnte der Angeklagte dankend ab. Bei einem Treffen, welches ca. 6 Wochen später stattfand, erklärten die verdeckten Ermittler dem Angeklagten, dass sich die Situation weiter verschlechtert habe und die serbischen Abnehmer mit weiteren Konsequenzen gedroht hätten. Beide verdeckten Ermittler baten den Angeklagten erneut, ihnen einen Kontakt mit Drogenlieferanten in Holland zu vermitteln. Wiederum erklärte der Angeklagte, dass er mit Rauschgiftgeschäften nichts zu tun haben wolle. Er stehe unter Bewährung und habe sich eine neue Existenz aufgebaut. Auf weiteres Drängen der verdeckten Ermittler erklärte sich der Angeklagte schließlich doch dazu bereit, einen Freund zu fragen, ob dieser den verdeckten Ermittlern helfen könne und setzte sich noch am selben Tag mit dem später weiteren Angeklagten in Verbindung. Dieser weitere Angeklagte wüsste aus Erzählungen des hier zunächst Betroffenen, dass die verdeckten Ermittler Probleme mit ihren Abnehmern hätten, wodurch bei dem weitere Angeklagten der Eindruck entstanden ist, es handele sich um eine Sache von „Leben und Tot“. Er ließ sich dazu überreden, Kontakt zu dem niederländischen Betäubungslieferanten herzustellen. Dieser erklärte bei einen Treffen am nächsten Tag, doch kein Interesse zu haben, verwies den Angeklagten aber an einen anderen Lieferanten der sich interessiert zeigte und ein Treffen in den den Niederlanden vorschlug. Es kam schließlich zu einem Drogengeschäft über 40.000 Ecstasy-Pillen. Die Angeklagten selbst fanden sich zum Zeitpunkt der Übergabe zwar auch in den Niederlanden in den betroffenen Ort, waren jedoch am eigentlichen Drogengeschäft nicht beteiligt. Es konnte vor Gericht nicht festgestellt werden, ob die Angeklagten für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhielten oder jedenfalls erhalten sollten.
Der Bundesgerichtshof sah in dieser Tatprovokation rechtsstaatswidriges Vorgehen, dass zu einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis führen muss. Nach ständiger Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) liegt eine gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßene Tatprovokation vor, wenn sich die beteiligten Ermittlungspersonen nicht auf eine weitgehend passive Strafermittlung beschränken, sondern die betroffene Person derart beeinflussen, dass sie zur Begehung einer Straftat verleitet wird, die sie ohne die Einwirkung nicht begangen hätte und zwar mit dem Zweck, diese Straftat nachzuweisen, also Beweise für sie zu erlangen und eine Strafverfolgung einzuleiten. Der Grund für dieses Verbot liegt darin, dass es Aufgabe der Ermittlungsbehörden ist, Straftaten zu verhüten und zu untersuchen und nicht, zu solchen zu provozieren (vergleiche EGMR, NJW 2015, 363).
Absolut zu Recht erließ der Bundesgerichtshof die zutreffende Entscheidung, die längst überfällig war. Entgegen der früheren Rechtssprechung, wonach eine unzulässige Tatprovokation lediglich zu einer Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung geführt hat, geht das Gericht nunmehr davon aus, dass ein Verfahrenshindernis vorliegt, sodass im Ergebnis Straffreiheit die Rechtsfolge ist. Wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person derart zu einer Straftat, wie hier, provoziert wird, so ist der Grundsatz des fairen Verfahrens von Anfang an verletzt.