Der Fall Käßmann
Wann Alkohol zum Problem wird
Darf eine Bischöfin, die betrunken Auto fährt, im Amt bleiben? Und was blüht gewöhnlichen Arbeitnehmern, die zu tief ins Glas schauen? Eine nüchterne Analyse.
„Trink nicht nur Wasser, sondern nimm auch etwas Wein“, steht schon in der Bibel (1. Tim. 5, 23). Eigentlich eine klare Ansage. Und doch können engagierte Christen, die diesen Rat befolgen, Ärger mit ihrem Arbeitgeber bekommen. Diese Erfahrung macht dieser Tage keine Geringere als die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann.
Unter den Talaren der Muff von hundert Klaren
Die höchste protestantische Würdenträgerin hat sich – ausgerechnet während der Fastenzeit – nicht nur das eine oder andere Gläschen genehmigt, sondern sich auch noch dabei erwischen lassen, wie sie mit 1,54 Promille im Blut eine rote Ampel überfuhr.
Aus strafrechtlicher Sicht ist die Sache klar. „Wer sich derartig alkoholisiert ans Steuer setzt, macht sich strafbar“, sagt Gregor Rose, Fachanwalt für Strafrecht aus München. Der Gesetzgeber bestraft solche Trunkenheitsfahrten mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder mit einer Geldstrafe. Dass Frau Käßmann wegen ihres alkoholisierten Ausfluges einsitzen muss, hält der Jurist zwar für unwahrscheinlich. Eine Geldstrafe von bis zu zwei Nettomonatsgehältern werde die Bischöfin allerdings schon bezahlen müssen – „und damit wäre Frau Käßmann vermutlich das erste vorbestrafte Kirchenoberhaupt in Deutschland.“
Deutlich komplizierter gestaltet sich die Frage, ob die Bischöfin wegen ihres Vergehens auch berufliche Konsequenzen zu fürchten hat.
Denn auch wenn Frau Käßmann mit ihrem Verhalten nicht unbedingt dazu beigetragen hat, die Glaubwürdigkeit ihrer Kirche zu fördern, so muss doch auch berücksichtigt werden, dass sie in der fraglichen Nacht als Privatperson gepichelt hat – also gerade ohne Bezug zu ihrer Arbeit.
Private Partys sind erlaubt
Im Normalfall darf der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter nur für solche Vergehen belangen, die einen direkten Bezug zu dessen beruflicher Tätigkeit haben. „Wenn zum Beispiel ein Sportlehrer wegen sexueller Nötigung von Minderjährigen verurteilt worden ist, wäre dies sicherlich ein Grund zur fristlosen Kündigung, da das Delikt einen direkten Bezug zur Arbeit hat“, urteilt Angela Emmert, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle in Köln. Eine private Trunkenheitsfahrt werde hingegen nur in den seltensten Fällen ausreichen, um einen Arbeitnehmer wirksam zu kündigen.
So hat denn auch das Bundesarbeitsgericht vor einigen Jahren entschieden, dass ein U-Bahn-Fahrer, der mit 2,73 Promille im Blut aus seinem privaten Pkw gezogen wurde, nicht ohne Weiteres entlassen werden darf (BAG 2 AZR 526/96). Selbst eine „hochgradige Alkoholisierung im Privatbereich“ erlaube, so die Richter, nicht in jedem Fall Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit eines Berufsfahrzeugführers– zumal ein U-Bahn-Fahrer keinen Pkw-Führerschein benötige, um seinen Beruf auszuüben.
Anders sind die Dinge zu beurteilen, wenn der Verlust der Fahrerlaubnis dazu führt, dass der betreffende Mitarbeiter seinen Job nicht mehr ausüben kann. „Ein angestellter Taxifahrer, der 18 Monate nicht Auto fahren darf, muss schon eher damit rechnen, dass ihm sein Chef eine personenbedingte Kündigung ausspricht“, so Rechtsanwältin Emmert.
Die Weinkönigin von Hannover
Im Fall der weinseligen Würdenträgerin ist die Sache noch mal komplizierter. Zwar benötigt Frau Käßmann für ihre klerikalen Kernaufgaben sicher keine gültige Fahrerlaubnis, muss also zumindest vor diesem Hintergrund nicht um ihren Job fürchten. Doch als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sie nun einmal eine andere Stellung als eine x-beliebige Arbeitnehmerin. Margot Käßmann ist vor allem auch Pfarrerin. Und damit unterliegt sie dem Disziplinarrecht der evangelischen Kirche.
„Zwar hat Frau Käßmann durch ihre Trunkenheitsfahrt keine unmittelbare Dienstpflicht verletzt – das wäre nur dann der Fall, wenn sie zum Beispiel beim Verwalten der Sakramente einen Fehler begangen hätte“, erläutert Utz Andelewski, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Salans in Berlin. Als Bischöfin habe sie es allerdings zweifelsohne versäumt, ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden. „Sie muss daher mit disziplinarischen Sanktionen rechnen“, so Andelewski.
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